Controlling 21
Dr. J. Schuhmacher
Im Internet empfiehlt sich die Benutzung eines natürlichen, einfachen sowie der Zielgruppe, dem Ziel und dem Thema angemessenen Sprachstils. Eine höfliche Konversations-/Dialogsprache in ganzen Sätzen hat sich weitgehend etabliert, wobei sie im Deutschen noch etwas formaler ist (in der Regel mit der Ansprache per "Sie") und im Englischen teilweise bereits etwas umgangssprachlicher. Sachliche Informationen sollten jedoch ohne persönliche Ansprache mitgeteilt werden. Somit ist die Wahl: 'Die moderne Forschung bezeichnet die Form der Erde heute als Geoid und nicht mehr als Kugel oder Scheibe.' einer persönlichen evtl. sogar vorwurfsvollen vorzuziehen: 'Hören Sie endlich auf, die Erde als Scheibe zu bezeichnen und verwenden Sie den Ausdruck Geoid.'
Der Inhalt soll ein klares Ziel besitzen und hierzu eine eindeutige Sprache verwenden. Vage Ausdrücke und Allgemeinplätze sollte man vermeiden. Verpönt ist inzwischen bei vielen Zielgruppen die "Marketingsprache" vor allem mit ihren kaum glaubhaften Übertreibungen und ihren Worthülsen. Vermeiden sollte man auch, besonders "schlau" sein zu wollen bei Bezeichnungen und Überschriften. Ferner darf man für die meisten Zielgruppen keinen Fachjargon aus der eigenen Branche oder Abkürzungen (ohne Erklärung) verwenden. Für viele Zielgruppen im deutschsprachigen Raum gilt ferner, dass sie des Englischen keineswegs mächtig sind. Überlegen Sie sich, ob Sie für Ihre Zielgruppe nicht einfachere, deutsche Ausdrücke finden können.
Die Zielgruppen werden gern in drei Wahrnehmungstypen unterschieden. Auditive Menschen lieben Klänge und Musik, teilweise sogar parallel zum Lesen. Z.B. durch dir Wortwahl: Leise rauschte der Wind...
. Visuelle Menschen können durch eine bildreiche Sprache (inklusive Metaphern) sowie Bilder/Fotos gefesselt werden. Z.B. mit der Wortwahl: Die Kraft des Tigers...
. Kinästhetisch ausgerichtete Menschen wollen hingegen alles anfassen, begreifen, ausprobieren. Hierfür eignet sich z.B. die Wortwahl: Das neue Gerät liegt flach in der Hand...
, oder: Die Gänge lassen sich präzise schalten...
.
Das lässt sich unter anderem auch sprachlich berücksichtigen. Dennoch wird die optimale Wirkung erst im Zusammenspiel mit den notwendigen technischen Details (Klang, Bilder etc.) erzielt.
Neben der Kundenorientierung darf jedoch auch Ihre Zielsetzung und die des Internet-Auftrittes nicht vernachlässigt werden. Ein produktorientierter Shop benötigt zum Beispiel eine verkäuferisch orientierte Sprache, eine Zeitung oder Magazin einen informationsorientierten und ein Spiel eine locker unterhaltende Sprache. Begehen Sie hier keinen Stilbruch. Dies würde auch der Erwartungshaltung der Zielgruppe widersprechen, wäre zumindest verwirrend, wenn nicht sogar unergonomisch.
Vieles hängt jedoch wirklich vom Detail ab. So kann, darf und muss man sogar bei einer (halb-)privaten Seite mit regelmäßigen Kommentaren, die vereinzelt auch Blogs (oder in der modernen Form mit Video Vlogs) genannt werden, durchaus Persönliches einbringen - auch seinen eigenen (Sprach-)Stil. In jenem Umfeld wäre es sogar unerwartet sowie deshalb auch verwirrend und würde als Stilbruch bewertet werden, wenn man sachlich neutral oder sogar in der deutschen Passiv-Sprache schrieben würde. Als '(halb-)privat' muss man diese Internet-Auftritte einstufen, weil sie inzwischen von zahlreichen kommerziellen Influencern teilweise sogar hauptberuflich und mit großem finanziellen Erfolg betrieben werden.
Dies gilt sogar für das rein berufliche Umfeld, in dem inzwischen auch in Firmen mehrheitlich das 'Du' verwendet wird. - Jedoch ist dieser Bereich in der Außenkommunikation noch immer heikel. Zwar gehen viele Großfirmen dazu über, ihre Kunden übergriffig bis frech mit Du anzusprechen. Allerdings kommt dies nicht bei allen - vor allem älteren - Kunden gut an. Persönlich würde ich dies derzeit noch von der Branche und der Altersstruktur der Kunden respektive den von Ihnen anvisierten Zielgruppen abhängig machen.
Auch heute noch finden sich Kopien von Firmenbroschüren im Internet. Ein Printmedium muss jedoch mediengerecht an das Internet angepasst werden, damit es ergonomisch ist. Hieraus folgt, dass alle Eins-zu-eins-Umsetzungen aus dem Print-Bereich nicht ergonomisch sind!
Selbst auf die sachlichsten Wissenschaftler wirken so genannte "Bleiwüsten" nicht besonders einladend. In allen Medien, insbesondere im Internet, benötigt Text eine leicht aufnehmbare, d.h. ergonomische Gestaltung.
Lange Textblöcke, ohne Unterteilung und Gliederung erweisen sich in allen Tests als sehr schwer zu lesen. Ergonomischer sind vor allem im Internet zahlreiche Untergliederungen und Strukturierungen mit Überschriften und Bedeutung tragenden Unterüberschriften.
Die Überschrift muss dem Nutzer die Orientierung erleichtern (siehe hierzu Navigation). Sie muss u.a. folgende Kriterien erfüllen:
Eine Überschrift sollte schnell erfassbar sein. Dazu sollte die Länge eine Zeile oder 40-60 Buchstaben möglichst nicht überschreiten.
Überschriften sollten mit dem Inhalt des Title-Tags des auf sie verweisenden Links übereinstimmen oder zumindest korrespondieren. Den Title-Tag des Links in der Navigation etc. sollte man auf jeden Fall nutzen. Selbst, wenn einige Suchmaschinen ihn heute nicht mehr so hoch bewerten. Menschen lesen diese oberste Zeile oder das klein aufspringende Informationsfenster ihres Browsers oft an. Bedenken Sie jedoch die Zeilenlänge. Lesen kann man aus dem Title-Tag meist nur etwa die ersten 60 Zeichen. Teilweise werden auch die erste 40-60 Zeichen in Suchmaschinen als Treffer angezeigt.
Überschriften sollten mit der Bezeichnung der Seite in der Navigation übereinstimmen oder zumindest mit ihr korrespondieren.
Überschriften sollten dem Nutzer darlegen, welche Informationen hier für wen geboten werden.
Überschriften sollten eine Kurzzusammenfassung des auf der Seite (Hauptüberschrift) im Abschnitt darunter (Unterüberschrift) befindlichen Textes bieten.
Alle Überschriften - auch die Unterüberschriften - müssen eine Bedeutung haben. Von cleveren Marketingsprüchen kann nur abgeraten werden.
Man kann bei Seitenhauptüberschriften im Internet durchaus vorangestellte Artikel entfallen lassen. Bei Unterüberschriften hingegen sind Artikel oft für das Verständnis hilfreich.
Im Internet ist ein zeitungsähnlicher Schreibstil (gemeint ist jedoch Aufbau) zielführend. Man spricht hierbei auch von der umgekehrten Pyramide. Das Wichtige, das Ergebnis, die Zusammenfassung etc. sollte am Anfang der Seite stehen. Danach folgt ein Abschnitt, der die zentralen Argumente für den wichtigsten Punkt der Überschrift darlegt. Die weiter unten folgenden Abschnitte sollten sich zunehmend mit Details befassen, die der weniger interessierte Leser auch entfallen lassen kann.
Hier sei auch auf das Problem des selten benutzten Scrollens hingewiesen, wenn sich nicht bereits oben auf der Seite etwas für den Nutzer Relevantes befindet.
Wichtig sind die erste Überschrift (Hauptüberschrift) und der erste Abschnitt auch für die Verlinkung. Der Nutzer kommt von einer anderen Seite mit spezifischem Inhalt auf diese. Er muss deshalb einen Einstieg finden, der idealerweise sich an den Linktext anschließt.
Dieser Schreibstil widerspricht dem klassisch wissenschaftlichen Vorgehen, bei dem man oft mit einem grundlegenden Problem beginnt, dann die bisherige Forschung betrachtet, danach eine detaillierte Abhandlung der verschiedenen Möglichkeiten und Varianten sowie der dazu benutzen Methoden bietet. Erst danach folgt das Kapitel Ergebnisse und zuletzt die Zusammenfassung mit den Schlussfolgerungen.
Dieser Wissenschaftsstil ist jedoch in der Regel für das Internet nicht geeignet. Sogar wissenschaftliche Texte besitzen deshalb heute am Seitenanfang eine Zusammenfassung - ein so genanntes Summary.
Auch wenn Listenpunkte von vielen Designern aufgrund ihres teilweise klobigen Aussehens verschmäht werden, so sind Listen und Aufzählungen das ergonomischste Gliederungsprinzip im WWW. Es entspricht am ehesten dem Scannen der Nutzer über den Text. Listen erleichtern dem Nutzer im Internet den schnellen Überblick. Untersuchungen belegen einen Ergonomievorteil von 124% gegenüber dem Fließtext. (https://www.nngroup.com/ articles/how-users-read-on-the-web/).
Im Jahr 2024 muss ich hierzu leider festhalten, dass immer mehr Organisationen im Internet diesen Stil mit dem Punkt vorne als Blickfang nicht nur missbilligen, sondern sogar aktiv bestrafen. Sie bezeichnen dies pauschal als Listen und Aufzählung, welche angeblich nur für Einzelwörter oder bestenfalls Koch- und Backrezepte erlaubt wären. Da es für den Einzelnen kaum sinnvoll sein kann, gegen Großorganisationen zu kämpfen, sollte man sich den Einsatz dieser nachweislich extrem ergonomischen Aufzählungen mittels Punkten davor folglich inzwischen genau überlegen. Sie bleiben weiterhin wirkungsvoll beim Nutzer, werden allerdings nicht nur kritisch beäugt, sondern aktiv bestraft.
Textliche Hervorhebungen - vorzugsweise in Fett und nur an den wichtigsten Stellen eingesetzt - werden von den meisten Nutzer als sehr hilfreich bei der Untergliederung von Texten empfunden. Man kann dies auch mit Farben kombinieren, wobei fettes Rot extrem auffällt. Aber auch fettes Grün kann bei positiven Hinweisen hilfreich sein. Bitten achten Sie allerdings bei Verwendung von farbigen Schriften auf den Kontrast zum Hintergrund und somit die Lesbarkeit. Deshalb wäre selbst fettes Gelb auf diesem pastell-gelben Hintergrund unergonomisch. Insbesondere farbige Schriften im sogenannten Normalschnitt sind auf vielen Hintergründen oft nur erschwert bis kaum lesbar.
Vermeiden Sie lange Absätze. Nur eine Idee sollte in einem Absatz erklärt werden, da viele Leser die zweite Idee beim schnellen Scannen über den Text nicht wahrnehmen.
Kurze Absätze lassen sich in der Regel am leichtesten am Monitor aufnehmen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie ein breites Publikum ansprechen wollen. Die klassischen Konstrukte von Thomas Mann mit zahlreichen relativischen und sonstigen Satzanschlüssen eignen sich nicht sonderlich am Monitor und für eine durchschnittlich gebildete Zielgruppe. Selbst wenn die Zielgruppe sich bildungsmäßig dem gewachsen fühlt, so bleibt die mentale Belastung auch bei ihnen hoch.
Das gilt nachweislich auch für die klassischen wissenschaftlichen Artikel. Dies scheint im Übrigen einer der zahlreichen Gründe zu sein, warum man wissenschaftliche Texte (vor allem im Internet) kaum mehr liest und die wissenschaftlichen Fakten somit heute häufig untergehen.
Vermieden werden sollte im Internet auf jeden Fall ein erzwungener Blocksatz, bei dem beide Seiten vertikal gerade / bündig abschließen. Aufgrund der fehlenden automatischen Silbentrennung in HTML führt dies unweigerlich auf fast allen Displays, welche nicht exakt Ihre Breite beim manuellen Satz besitzen zur extremen Lücken zwischen den Einzelwörtern, welche nicht zur das Lesen erschweren, sondern den Lesefluss komplett zerstören können. Dadurch wird auch das logische Verstehen des Inhaltes erschwert bis unmöglich. - Es bleibt somit für das Internet überwiegend nur der linksbündige Flattersatz.
Wenn man so manche Text im World Wide Web liest, könnte man glauben, beim Internet handele es sich um die Fortsetzung des Marxismus mit anderen Mitteln: Legastheniker aller Länder vereinigt euch!
Einerseits ist es peinlich, wenn sich Schreib- und Tippfehler auf einem Internet-Auftritt finden, weil es dem Image schadet und die Glaubwürdigkeit unterminieren kann. Andererseits können Zahlendreher bei Preisangaben, Datumsgarantien oder Fehler in AGBs und im Impressum auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im Übrigen liest sich ein fehlerhafter Text wesentlich langsamer und ist somit unergonomisch.
Auch auf die Grammatik sollte man achten. Fehlende Satzzeichen erschweren das Verständnis mancher Sätze erheblich, benötigen somit mehr Zeit zur Aufnahme und wirken je Zielgruppe nachteilig für die werbende Firma.
Ob man sich im Deutschen der neuen Rechtschreibung oder der alten anschließt, hängt von der Zielgruppe und dem Image (eventuell auch dem CI/CD) der eigenen Firma ab. Gleichgültig, wie man sich entscheidet, man muss es dann konsequent durchhalten. Dies stellt ein großes Problem bei teilweise eingekauftem, externem Content dar. Der Punkt Rechtschreibung gehört als grundlegende Richtlinie auch in einen Styleguide.
Allerdings sei auch realistisch darauf hingewiesen, dass Einzelpersonen dies kaum realisieren können, da selbst die modernsten Korrekturprogramme in Word etc. nicht alle Fehler finden. D.h. ohne ein Vier-Augen-Prinzip der heute meist entlassenen Lektoren, Korrektoren etc. wird diese Forderung immer schwerer in der Praxis umsetzbar. - Nutzen Sie deshalb die Kunden und Leser respektive Nutzer Ihres Auftrittes, indem Sie jene höflich bitten, Ihnen Fehler aktiv mitzuteilen, und belohnen Sie jene ggf. auch dafür. Oft reicht bereits ein höfliches Danke mit einer sofortigen Korrektur des Fehlers aus. Firmen können zudem Gutscheine etc. dafür ausloben. - Ein interessanter Nebeneffekt dabei ist, dass dann viele Nutzer Ihre Texte daraufhin intensiver lesen (das Ziel des ganzen Auftrittes), weil sie aktiv Fehler suchen. Wem bereitete dies keine Freude. Bereits als Kinder spielten wir gerne 'Finde den Fehler'. - Psychologisch ist dies nicht nur verständlich, sondern sogar positiv, weil Sie bei diesem für viele heiklen Punkt offen mit der Tatsache umgehen, dass weder Sie selbst noch Ihre Firma perfekt ist, was Sie menschlich und somit sympathisch macht. Gleichzeitig betonen Sie dadurch, dass Sie stets nach Verbesserungen und der aktiven Partizipation Ihrer Kunden dabei streben.
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