Controlling 21
Dr. J. Schuhmacher
Für die erfolgreiche Umsetzung des Zauberwortes E-Commerce existiert kein Patentrezept. Aber zahlreiche ergonomische Fehler, die dem potentiellen Kunden den Einkauf erschweren oder unmöglich machen, lassen sich vermeiden.
Zu unterscheiden sind im E-Commerce die zwei Hauptgruppen B2C (Business to Customer - Endkundengeschäft) und B2B (Business to Business - Firmenkundengeschäft). Beim Endkundengeschäft liegt in der Regel ein ununterbrochener Kaufvorgang vor, beim Firmengeschäft hingegen in der Regel ein in teilweise mehrere Kaufabschnitte, Verhandlungsschritte unterteilter. Während ein Einzelkäufer im B2C-Bereich eine ausgewählte Ware in den Einkaufswagen packen und dann als Alleinentscheider bezahlen kann, geht der Interfirmenhandel oft mit komplexen und somit langen firmeninternen Entscheidungswegen, Verhandlungen und Pausen einher.
Deshalb muss ein B2B-Shopsystem eher die Interessenten in der anderen Firma mit Informationen ausstatten, damit diese wiederum ihre(n) Entscheider (Firmeninhaber, Geschäftsführer oder Vorstand) von den Vorteilen des Einkaufs überzeugen können. Im Prinzip handelt es sich somit primär um ein - allerdings besonderes - Informationssystem. So kann es hilfreich sein, herunterladbare Produktfotos oder sogar so genannte Diashows, Zahlen zu den Kosten und den mit dem Produkt erzielbaren Gewinnen, Test- und Presseberichte über das Produkt, in Tabellenform aufgearbeitete Spezifikationen und Vorteile des Produktes etc. anzubieten, damit diese leicht in eine Produktpräsentation für die Entscheider in der kaufenden Firma eingebaut werden können. Ideal sind hierbei kurze (!) Informationen als Text auf der HTML-Seite, damit derjenige, der den Vortrag erstellen muss, diese Details leicht herauskopieren und in seine PowerPoint-Präsentation einfügen kann. PDFs, vor allem wenn sie mit Passwort vor der Weiterverarbeitung geschützt sind, helfen nur zusätzlich als Anhang zum Vortrag weiter! Produktdemonstrationen in Filmen und Newsletter, die den Interessenten mit Neuerungen auf dem Laufenden halten, können das Angebot abrunden.
Falls automatisierte Warenbeschaffungssysteme für Firmen bestehen, so muss der Internet-Auftritt der verkaufenden Firme eng an die Prozesse der kaufenden Firma angepasst werden. Die gegenteilige Annahme, dass die kaufende Firma alle eigenen Prozesse an die Prozesse der verkaufenden anpasst, ist in der Regel nicht umsetzbar.
Grundsätzlich wird heute erwartet, dass in einem Shop alle von der Firma theoretisch lieferbaren Produkte aufgelistet sind. Auch derzeit fehlende oder im Zulauf befindliche Produkte sollten deshalb mit einem Kommentar versehen auffindbar sein.
Denken Sie immer daran: Alles in einem Internet-Geschäft ist virtuell. Ein potentieller Kunde kann nichts mit eigenen Augen direkt betrachten oder mit seinen Händen befühlen. Das Vertrauen in den Anbieter ist folglich der wichtigste Grundstein für den Erfolg im E-Commerce im Bereich B2C. Tun Sie alles, um das Vertrauen der potentiellen Kunden in die Glaubwürdigkeit Ihrer Firma zu gewinnen und das der einmal gewonnen Kunden zu steigern. Hierbei hilft auch die Ergonomie!
Missbilligt wird von den meisten Nutzern das Aufblähen der Produktliste um Waren, die nicht oder nur mit großer Wartezeit geliefert werden können. Hier liegt die Erwartungshaltung vor, dass eine Ware im Internet schnell geliefert werden kann, weil alles sonst im Internet auch schneller abläuft als in der realen Welt. Als kaum erreichtes Maß der Internet-Lieferung gilt noch immer 24 Stunden. Als Umkehrung gilt, dass Sie auf derzeit nicht lieferbare oft nachgefragte "Standardprodukte" oder Lieferverzögerungen deutlich sichtbar auf dem Internet-Auftritt hinweisen sollten.
Zu kleine Fotos von teureren Produkten wirken nicht aussagekräftig auf den potentiellen Kunden. Er kann sich so keinen Eindruck machen. Hier empfiehlt sich die Thumbnail-Technik. So kann er das kleine in etwa nur daumennagelgroße Bild (daher der Name) anklicken und erhält dann ein sehr großes oder wird sogar in eine Bildergalerie geleitet mit mehreren großen Fotos, welche das Produkt aus mehreren Winkeln / von mehreren Seiten zeigen. Bei der Produktbeschreibung reicht ein kleines Bild für den Ersteindruck aus. Wer als Interessent die Großversion wünscht, hat Zeit und wartet auch einen längeren Ladevorgang ab.
Vor allem die Produkte in Online-Shops müssen sauber in Rubriken strukturiert sein. Je nach Kundenbezeichnung müssen sich Inhalte in mehreren Rubriken mittels Querverweis finden.
Zwar sollte man sich kurz fassen, jedoch darf der Kürzung nicht alles zum Opfer fallen. So ist immer die vom Nutzer gewohnte Orientierung sicherzustellen. Bei Produkten sollte man immer Preise angeben (und seien es nur die empfohlenen Richtpreise). Preise dienen als Orientierung und zur Auswahl für viele Kunden. Bitte bedenken Sie im internationalen Handel die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze. Denn der Kunde hat ein Anrecht auf seinen korrekten Endkundenpreis inklusive landesüblicher Mehrwertsteuer. Ansonsten kann es sehr schnell aufgrund von Abmahnungen sehr teuer und vor allem unangenehm für den Shop-Betreiber werden.
Lassen Sie keine Frage offen! Unergonomisch ist das Verstecken von grundlegenden Informationen hinter komplexen Bestellformularen. So belastet es nicht nur Ihren Server, sondern auch den Surfer, wenn ein Nutzer erst ein bis zu 20-zeiliges eventuell sogar mehrseitiges Formular ausfüllen muss, nur um seinen Versandkostenanteil oder den Liefertermin für ein interessantes Produkt zu erhalten. Alle verkaufsrelevanten informatorischen Aspekte müssen vor dem ersten Formular - leicht auffindbar - einzusehen sein. Jede denkbare Frage des potentiellen Kunden muss man vorhersehen und unmissverständlich beantworten.
Vor allem Neulingen im Internet fällt die Orientierung in einem virtuellen Raum schwer. Insbesondere bei Transaktionen muss der Nutzer immer wissen, wo er sich in einem (zum Beispiel Bestell-) Prozess befindet. Ansonsten ist die Abbruchrate hoch.
Test ergaben bis zu 40% Abbrüche des Kaufvorgangs, weil der Kunde mit dem Warenkorb nicht wie gewohnt umgehen konnte oder technische Probleme vorlagen.
Fehler beim Warenkorb werden von den meisten Nutzern mit einem Abbruch bestraft. Hier müssen Einträge - auch nachträglich - in jedem Punkt verändert werden können. Hierzu gehört nicht nur das Löschen einzelner Waren, sondern auch das Verändern der Bestellmenge und der Lieferart ohne, dass man den Bestellvorgang wiederholen muss.
Tückisch ist vor allem eine Unterbrechung des Kaufvorganges, weil der Kunde zuerst noch etwas anderes sucht (eventuell sogar auf einem anderen Auftritt. Teilweise ereilt ihn dann ein Session-Time-Out und er muss alle Waren erneut in den Warenkorb legen. Dies tun nur wenige Kunden. Ergonomisch ist hier die Speicherung aller relevanten Daten bis zum Abschluss des Einkaufs.
Fehlende Verschlüsselung bei der Datenübermittlung von Personenangaben oder Zahlungsbedingungen rufen einen Imageschaden hervor. Allerdings darf die zusätzliche Verschlüsselung den Kunden auch nicht mit einer allzu langen Wartezeit bestrafen.
Ein potentieller Kunde muss heute zwischen verschiedenen Bezahlvarianten auswählen können. In Deutschland empfiehlt es sich, nicht nur Kreditkarten anzunehmen, da die meisten Nutzer bisher im Internet eher ungern Ihre Kartennummern angeben. Die Variante der Lieferung per Nachnahme ist immer erforderlich. Als ideal werden Lieferung per Rechnung von den Kunden gesehen. Wer eine Vorauszahlung oder einen Lastschrifteinzug verlangt, muss hierfür dem Kunden für die eigene Risikoreduzierung auch einen Preisvorteil anbieten. Sonst nimmt kaum jemand diese Variante an.
Selbst in den 2020er Jahren lohnten sich noch keineswegs alle reinen Internet-Bezahlverfahren wie PayPal für alle Zielgruppen. Vor allem ältere Menschen legen sich nicht zuerst dort ein Konto an, nur um bei Ihnen damit bezahlen zu dürfen. Hingegen haben sich die typischen Sofort-Überweisungssysteme wie Klarna etc. durchgesetzt, da sie mit dem bereits bestehenden eigenen Girokonto kooperieren und meist keine weiteren Aktionen des potentiellen Kunden fordern.
Beachten Sie jedoch, dass exakt jene dritten Vermittler, Kreditkartenfirmen und Finanzdienstleister etc. oft stark belastete Server verwenden. Aufgrund der heute umfassenden und teilweise mehrstufigen, langen Sicherheitsverfahren müssen dann nicht selten zwei Sicherungsschlüssel und ggf. sogar noch eine per SMS auf das Smartphone gesandte Bestätigung in Felder eingegeben werden. Dabei hat z.B. nicht jeder Besteller alle Passwörter oder sogar das Smartphone griffbereit am PC-Monitor, sondern muss die Gegenstände und Daten erst zusammensuchen. Ihr eigner Shop-Server muss solange warten und alle denkbaren Fehler abfangen können.
Zu einem ergonomisch gestalteten Gesamtkonzept eines Shops gehört auch eine E-Mail-Bestätigung der Bestellung, die der Besteller mit jedem (!) E-Mail-Programm problemlos lesen kann. Für das E-Mail-Programm gilt noch mehr als für Browser, dass man sich auf den geringsten gemeinsamen Nenner der Zielgruppe konzentrieren sollte.
Hinzu kommt die Zusendung der AGB, der Rechnung als PDF sowie der Übermittlung des Links zum Paket-Dienstleister, damit man den Versandweg kontrollieren und die Ankunft ggf. vorbereiten respektive bestimmen kann.
Zwar kann man dies alles in einem mit Passwort geschützten Kundenzugang auch nochmals anbieten - aber nur als Zusatz. Es ist weder ergonomisch noch Kundenfreundlich, wenn sich der Kunde selbst mühsam in Menüs durchwühlen muss, um die AGB oder die Rechnung zu erhalten.
Ein Internet-Auftritt soll selbsterklärend für die anvisierte Zielgruppe sein. Bei Interaktionselementen und besonders bei Transaktionsauftritten wird dies jedoch nicht immer gelingen. Man denke nur an das Internet-Banking oder Online-Brokerage. Hier stellt sich die Frage nach dem Funktionsumfang in Abhängigkeit von der Nutzungserfahrung. So kann es für Neulinge hilfreich sein, zuerst nur eine minimal notwendige Funktionalität angeboten zu erhalten. Je mehr Funktionen ein Internet-Auftritt besitzt, umso schwieriger ist er zu bedienen, um so komplexer wird bzw. erscheint zumindest die Anwendung in den Augen des Anwenders. Es empfiehlt sich, den Kunden sich erst langsam vertraut machen zu lassen und danach erst - dort wo es nötig ist - Zusatzfunktionen anzubieten. Der erfahrene Kunde möchte jedoch alle Funktionen bequem benutzen können.
Vor allem bei Interaktions- und Transaktionsmodulen muss man dem Nutzer eine klar erkennbare Ausstiegsmöglichkeit anbieten. Funktionen für "Rückgängig machen" und "Wiederholungen bei Transaktionen" sind zu ermöglichen. Kontrollseiten für und zwar vor irreversible(n) Aktionen müssen angeboten werden.
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Internet und Multimedia in Perfektion