Controlling 21
Dr. J. Schuhmacher
Die meines Erachtens systematischste Einführung in das Gebiet der Arbeitswissenschaft verfasste Bokranz, Rainer und Landau, Kurt, Einführung in die Arbeitswissenschaft, Stuttgart, 1991, UTB. - Hierauf beziehen sich auch die meisten Referenzen und Zitate im folgenden Text.
Als weitere Literatur zum Thema empfiehlt sich sowohl Luczak, Holger, Arbeitswissenschaft, Berlin, 1993, Springer-Verlag, als auch Bullinger, Hans-Jörg, Ergonomie, Produkt- und Arbeitsplatzgestaltung, Stuttgart, 1994, B.G. Teubner, sowie Schmidtke, Heinz, Herausgeber, Ergonomie, München, 3. Auflage, 1993, Carl Hanser Verlag.
Die Arbeitswissenschaft hat als Erkenntnisobjekt den Menschen. Es besteht der Wunsch, zum Wohle des arbeitenden Menschen Erkenntnisse zu gewinnen, darzustellen und anzuwenden.
(Bokranz, Seite 18)
Die Arbeitswissenschaft ist eine interdisziplinäre Wissenschaft. Bereits der Begriff Arbeit reicht in zahlreiche Forschungsgebiete hinein. Unter anderem betrifft dies die Bereiche der Physik (Kraft * Weg), der Physiologie (Anforderung an das Organsystem), der Psychologie (Aktivitäten in Arbeitsorganisationen), der Soziologie (Erwerbstätigkeit als Teil des Gesamtlebens) und natürlich auch die Ökonomie (Bestandsfaktor in Produktionssystemen und als Einzelfaktor in Produktionsprozessen).
Diese finden sich mit Einschränkungen (Physik und bei der Ökonomie) als Fachdisziplinen auch innerhalb der Arbeitswissenschaften wieder.
Das folgende Diagramm zeigt die Gliederung der Arbeitswissenschaft als Pyramide mit vier Schichten.
Die Arbeitswissenschaft als Mutterwissenschaft beruht auf den Disziplinen und Fachbereichen Physiologie, Psychologie, Soziologie. Die reine Ökonomie und Physik werden teilweise nicht direkt als dazugehörige Fachdisziplin angesehen. Ohne Kenntnisse in diesen beiden Wissenschaften lässt sich vieles jedoch nicht verstehen und erklären.
Teilweise wird Ergonomie als Synonym für Arbeitswissenschaft verstanden. Ergonomie u. Ergonomik [gr.-nlat.-engl.] die; -; Wissenschaft von den Leistungsmöglichkeiten u. -grenzen des arbeitenden Menschen sowie der besten wechselseitigen Anpassung zwischen dem Menschen u. seinen Arbeitsbedingungen.
(Duden, Band 5, Das Fremdwörterbuch, 3. Aufl. Mannheim, 1974.)
Die eigenständige Disziplin der Arbeitswissenschaft lässt sich (gemäß Bokranz, Seite 18) grob in zwei (Haupt-) Richtungen - eine ergonomisch-analytische und eine organisationswissenschaftlich-pädagogische - unterteilen.
Bei der ersteren - der ergonomisch-analytischen Ergonomie -, die uns im Weiteren besonders interessiert, lassen sich die vier folgenden Forschungsschwerpunkte erkennen: der Objektbereich von Arbeitsprozessen (Arbeitsplatz, Arbeitsmittel), die organismischen Subsysteme, das Belastungs-Beanspruchungs-Modell sowie Systemanalytische Ansätze.
Hieraus folgt eine Definition der Arbeitswissenschaft (gemäß Bokranz, Seite 19): "Arbeitswissenschaft ist die Systematik der Analyse, Ordnung und Gestaltung der technischen, organisatorischen und sozialen Bedingungen von Arbeitsprozessen mit dem Ziel, dass die arbeitenden Menschen in produktiven und effizienten Arbeitsprozessen [sowohl] schädigungslose, ausführbare, erträgliche und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen vorfinden, [als auch] Standards sozialer Angemessenheit sowie Entlohnung und Kooperation erfüllt sehen, [sowie] Handlungsspielräume entfalten, Fähigkeiten erwerben und in Kooperation mit anderen ihre Persönlichkeit erhalten und entwickeln können."
Im Zusammenhang mit der Ergonomie interessieren uns im Weiteren vor allem die unter dem ersten Punkt aufgeführten Details - also, dass die Menschen u.a. "schädigungslose, ausführbare, erträgliche und beeinträchtigungsfreie Arbeitsbedingungen vorfinden". Relevante Randbereich sind jedoch der Arbeitsinhalt, die Arbeitsaufgabe, die Arbeitsumgebung, und der Fähigkeitenerwerb.
Die Aufgabe der Arbeitswissenschaft ist die Analyse, Ordnung und Gestaltung von Arbeitsprozessen in den drei Dimensionen organisatorisch, sozial und technisch. In unserem Zusammenhang mit dem Internet respektive dem World-Wide-Web WWW wird der Schwerpunkt notwendigerweise vor allem bei der technischen Dimension liegen.
Das Ziel der Arbeitswissenschaft ist (gemäß Bokranz, Seite 20) die Schaffung produktiver und effizienter Arbeitsprozesse. Dazu müssen die Arbeitsbedingungen schädigungslos, ausführbar, erträglich und beeinträchtigungsfrei sein. Im Zusammenhang mit der Ergonomie werden hier im Folgenden soziale und persönlichkeitsbildende Aspekte, wie die Felder Entlohnung, Kooperation, Handlungsspielraum und Kooperation, nicht besonders thematisiert. (Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein Anbieter im Internet keinen direkten oder zumindest kaum Einfluss auf die potentiellen Interessenten, Leser und Kunden hat.)
Ziel des Erkenntnisprozesses in der Arbeitswissenschaft ist es, Aussagen mit hohem Informationsgehalt zu schaffen und nicht unbedingt auf solche mit hoher Bestätigungswahrscheinlichkeit zu hoffen. Vor allem im Bereich der Ergonomie ist es aufgrund des schnellen Wandels sowohl der Technik als auch der menschlichen Anforderungen schwierig, zeitlose Aussagen zu machen. Die wissenschaftliche Anforderung nach leichter Nachprüfbarkeit und Falsifizierbarkeit bleibt jedoch bestehen.
Angewandt werden induktives Schließen (positivistische Wissenschaftsauffassung: Beobachtung und Experiment; induktive Verallgemeinerung; Hypothesenbildung; Verifikationsversuch zu Hypothese mit Bestätigung oder Widerlegung) und deduktives Vorgehen (kritischer Rationalismus: Problem durch Theoriendebakel, Anwenderfragestellung; Formulierung einer neuen Theorie; Ableiten prüfbarer Hypothesen aus der neuen Theorie; Falsifikationsversuch zur neuen Theorie; Entscheidung für eine von ggf. mehreren Theoriealternativen).
In der Diskussion dominieren zwei Modelle der Arbeitswissenschaft: Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell und das Arbeitssystem-Modell (Mensch-Maschine-Modell, soziotechnisches System).
Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell stammt aus der Sprache der Technik und wurde auf den Menschen umgesetzt. Eine Belastung führt beim arbeitenden Menschen zu einer - allerdings individuell abhängigen - biologischen Beanspruchung. Hier kommen objektive und subjektive Eigenschaften zusammen. Die Intensität und die Dauer der Belastung lassen sich messen und in Teilbelastungen untergliedern. Belastungsgrößen sind metrisch messbar, Belastungsfaktoren auf Nominal- oder Ordinalskalenniveau beschreibbar. Die Beanspruchung ist ein theoretisches Konstrukt, da sie nicht direkt messbar ist.
Arbeitssysteme dienen der Erfüllung von Aufgaben. Dynamische (zeitabhängige) und soziotechnische (Mensch-Maschine-) Systeme dominieren. Die darauf einwirkenden Umwelteinflüsse und deren Schnittstelle zur Aufgabe werden genau untersucht. Oft spricht man auch von einem Eingabe-Ausgabe-System, bei dem der Mensch und seine Arbeitsmittel im Zentrum stehen. Dieses Mensch-Maschine-System ist für die Ergonomie besonders wichtig. Hierunter werden alle Komponenten eines Arbeitssystems zur funktionellen Interaktion zwischen dem Menschen und einem technischen System verstanden.
(Bullinger, Seite 335).
Man unterscheidet unmittelbare und mittelbare Mensch-Maschine-Systeme:
Bei unmittelbaren Mensch-Maschine-Systemen sind Quelle und Sender identisch. Es handelt sich um Ereignisse, die der Mensch mit seinen Sinnen direkt aufnehmen kann, zum Beispiel das Sehen eines Arbeitsgegenstandes.
Bei mittelbaren Informationen sind Quelle und Sender nicht identisch, oder sie sind räumlich getrennt, oder menschliche Sinne können das Signal in dieser Form nicht wahrnehmen, oder nicht genau bestimmen, oder Informationen sind außerhalb des Menschen gespeichert. Hierzu zählen zum Beispiel Druck-, Temperaturanzeige, Magnetfeldstärke, Maße eines Körpers.
Das Internet fällt hierbei (sowohl visuell als auch auditiv) in die Kategorie der mittelbaren Informationsaufnahme.
Arbeit wird in der Regel in den Arbeitswissenschaften (oft unausgesprochen) als berufliche bei einem Arbeitgeber in einer Arbeitsumgebung zu einer definierten Arbeitszeit gegen eine festgesetzte Entlohnung in Geld durchgeführte fremd- oder selbstbestimmte Tätigkeit aufgefasst.
In dieser Publikation muss Arbeit jedoch weiter gefasst werden. Es kann sich vor allem im Zusammenhang mit dem Internet nicht nur um die Tätigkeit im klassischen Sinne an einer beim Arbeitgeber liegenden Arbeitsstelle zu einer bestimmten festgesetzten Arbeitszeit mit einer für die Arbeit als Gegenleistung erhaltenen Entlohnung in Geld handeln. Bereits angesichts der mit dem Internet aufgekommenen Heimarbeitsplätze weicht die Definition auf. Hinzu kommt, dass die Beschäftigung mit dem Internet eine der Tätigkeiten ist, die ursprünglich nicht vom beruflichen Arbeitsplatz ausging, sondern eher aus dem universitären und privaten Bereich stammte und im Privatbereich eine erhebliche Verbreitung fand, wie es bisher bei keiner anderen Arbeit (einschließlich der Bürotätigkeit mit der Schreibmaschine) der Fall war. Es müssen somit die nichtberuflichen Tätigkeiten miteinbezogen werden.
Arbeit muss im Zusammenhang mit der Internet-Ergonomie als jegliche Tätigkeit (selbst- oder fremdmotiviert) bezeichnet werden, die an jedem Ort zu jeder Zeit durchgeführt werden kann, ohne dass es hierbei eine materielle Entlohnung im direkten Sinne geben muss. Somit ist die während der geregelten klassischen Arbeitszeit zum Beispiel im Büro durchgeführte Arbeit eingeschlossen, jedoch auch die zu Hause oder im Urlaub im Internet-Café sowie mobil im Pkw oder zu Fuß auf der Straße mit dem Smartphone durchgeführte private Recherche.
Man könnte zwar von einer indirekten psychologischen oder informativen Entlohnung sprechen, da die im Internet tätige Person eine Information als Feedback jeder Aktion erhält. Diese Form der "Entlohnung" ist jedoch fraglich, da letzteres angesichts der im Internet häufig anzutreffenden ergonomischen Unzulänglichkeiten oft ausbleibt.
Das folgende Kapitel in den theoretischen Grundlagen bezieht sich auf die Aufgaben und Anforderungen.
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Internet und Multimedia in Perfektion