Controlling 21

Dr. J. Schuhmacher

vg

Gestaltung

Das Layout entsteht im Kopf.

Da man ein Layout, Design etc. "entwerfen" kann, müssen logische Regeln dafür existieren.

Gestaltpsychologie - Gestaltgesetze

Es geht hier um die Frage: Wie entstehen gruppierte Bilder / Strukturen und wie entstehen Interpretationen von Bildern / Strukturen?
Hierzu wurden seit 1890 weltweit wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse zusammengefasst folgende Regeln liefern:

Bekanntere Gestaltgesetze

Das Gesetz der Prägnanz besagt, dass bevorzugt Objekte wahrgenommen werden, die sich von anderen durch ein bestimmtes Merkmal abheben.

Das Gesetz der (räumlichen) Nähe erklärt, dass Objekte, die räumlich nahe beieinander liegen, von der menschlichen Wahrnehmung gruppiert und als zusammengehörig erlebt werden. Dinge, die weit voneinander entfernt liegen, werden hingegen als getrennt und als unabhängig wahrgenommen.

Das Gesetz der Ähnlichkeit besagt, dass Objekte, die ähnlich sind, von der menschlichen Wahrnehmung gruppiert und als zusammengehörig aufgefasst werden. Dinge, die sich in wichtigen Merkmalen unterscheiden, werden voneinander getrennt oder als unabhängig wahrgenommen. Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede werden zum Beispiel durch Farben, Textur, Größe, Helligkeit oder auch durch die Bewegungsrichtung sowie Geschwindigkeit erzeugt.

Das Gesetz der Kontinuität oder der (guten) Fortsetzung belegt, das Reize, die eine Fortsetzung vorangehender Reize zu sein scheinen, als zusammengehörig aufgefasst werden. Objekte, die auf einer durchgehenden Linie oder Kurve angeordnet sind, werden von der menschlichen Wahrnehmung gruppiert und als zusammengehörig erlebt. Hierbei können die Einzelobjekte auf Geraden, in Spalten oder Zeilen, auf Fluchtlinien oder Kurven angeordnet sein.

Das Gesetz der Geschlossenheit hält fest, dass Objekte mit geschlossenem Umriss, eine Fläche oder Elemente, die von einer Linie, einem Rahmen umfasst sind, von der menschlichen Wahrnehmung gruppiert und als zusammengehörig aufgefasst werden. Dinge, die durch Linien getrennt sind, wirken hingegen als nicht zusammengehörig. Subjektive Konturen können - ohne Rand - entstehen, wenn sie durch Fehlstücke bei anderen Elementen ergänzt werden. Unser Gehirn baut dann neue Figuren daraus. Rahmen und Abstände helfen, Dingen eine Geschlossenheit zu verleihen.

Das Gesetz der fortgesetzt durchgehenden Linie, oder der Einfachheit besagt, dass Linien so gesehen werden, als folgen sie dem einfachsten Weg. Kreuzen sich zwei Linien, so geht unsere Wahrnehmung nicht davon aus, dass der Verlauf der Linien an dieser Stelle einen Knick machen könnte. Unsere Wahrnehmung versucht Dinge so sehen, dass sie möglichst einfach, prägnant oder gut gestaltet erscheinen und leicht zu beschreiben sind. In der Folge werden komplexe Gebilde tendenziell vereinfacht. Dies führt einerseits zu leichteren Erklärungen aber andererseits zum negativen Ergebnis, dass Menschen nicht alle Möglichkeiten der Realität erfassen.

Das Gesetz der Figur-(Hinter-)Grund-Beziehung besagt, dass die kleine Fläche meist als Figur gesehen wird, die größere hingegen als Hintergrund.

Das Gesetz der bekannten Form umschreibt das Phänomen, dass bekannte Objekte eher als komplizierte gesehen werden.

Tuftes Gesetz (1+1=3) besagt, dass ein Zwischenraum leicht als zusätzliche Linie wahrgenommen wird. So sind Doppellinien immer gleich Dreifachlinien.

Das Gesetz der des gemeinsamen Schicksals beschreibt, dass wir zwei oder mehrere sich gleichzeitig in eine Richtung bewegende Objekte als eine Einheit oder Gestalt wahrnehmen.

Das Gesetz des Aufgehens ohne Rest umschreibt, dass Objekte so gruppiert wahrgenommen werden, dass keine einzelnen Objekte übrig bleiben.

Das Gesetz des Kontexts beschreibt, dass die Erfahrung oft stärker wirkt als die Figurerkennung.

Es finden sich noch zahlreiche weitere Gesetze, zum Beispiel der Gleichheit, der größeren Dichte, der geringsten Inhomogenität, der objektiven Einstellung, des glatten Verlaufs, der Geschlossenheit etc. - Eine grafische Darstellung mit Beispielen zahlreicher Gestaltgesetze.

Geistige Beschränkung

Eine Eigenart unseres Bewusstseins ist es, aus Effizienzgründen einem Sinneseindruck nur eine Bedeutung je Zeiteinheit zuzuweisen. Jeder kennt dies von der Darstellung perspektivischer Unmöglichkeiten, optischer Täuschungen und multistabiler Wahrnehmungsphänomene, wie zum Beispiel Eschers abwärts laufenden Treppen, die dann doch hinaufführen.

Hinweise für die Praxis

Wählen Sie klare Strukturen. Im Internet findet sich oft zu wenig oder zu viel Struktur.
Abstände sollten systematisch geplant und konsistent sein.
Trennlinien sollten nur Dinge trennen, die nicht zusammengehören.
Leisten mit unterschiedlichen Elementen besitzen gleiche Farben und / oder Formen.
Unterschiedliche Elemente sollte man auch unterschiedlich darstellen.

Grundregel

Dinge sollte man möglichst einfach und eindeutig gestalten. KISS: 'keep it simple and straight'.

Metaphern

Bildliche Übertragungen können im wohlüberlegten Einzelfall hilfreich sein. Falsch verstandene Metaphern wirken im Internet jedoch nicht positiv und stellen oft unergonomische Hürden dar:
Ein Büroturm mit leeren Flächen kann in der Realität ein attraktives Immobilienobjekt sein. Leere Inhaltsseiten im Internet (eventuell mit Werbeslogans wie "Hier könnte Ihre Werbung stehen") frustrieren die Nutzer.
Gleiches gilt für Baustellenzeichen. Während sich kaum jemand in der Realität an Reparaturarbeiten zur Verbesserung stört, und die zeitweise nicht oder nur teilweise funktionierenden Details akzeptiert, ist dies im Internet unerwünscht und wird nicht toleriert. Hier sollte man Seiten nur freischalten, wenn sie fertig gestaltet sind und fehlerfrei funktionieren.

Print-Bereich

Das Internet ist ein eigenes Medium, für das man alle Inhalte mediengerecht anpassen muss. Eine einfache Übernahme von Bildern und Texten aus dem Druck-Bereich, vor allem aus dem weiten Feld der Firmen- und Produkt-Broschüren ist unergonomisch.

So darf der Slogan "Sprechen Sie mit uns" im Internet nur verwendet werden, wenn man auch derartige Sprach-Kommunikation im Internet anbietet. Dies steht im Gegensatz zum Print-Bereich, wo dies Inhaltlich eine andere Bedeutung hat.

Erzielung von Vertrauen

Vertrautheit und Wiederholung signalisieren uns Sicherheit. Dies hat Vorteile beim Design, da mit konsistentem Layout aller Inhalte Vertrautheit und Vertrauen erzeugt wird. Der Nachteil liegt bei routinemäßigen Handlungen, die gefährlich sind.

Darstellung von Gefahren

Menschen unterschätzen Risiken konstant, chronisch und gewohnheitsmäßig - sogar dramatisch in Bezug auf die eigene Person. Dies führt dazu, dass man gestalterische Sondermaßnahmen ergreifen muss, bevor jemand einen folgenschweren Irrtum begeht (zum Beispiel Löschen eines Eintrages in einer Datenbank).

Perspektivübernahme

Grundlage jeder Gestaltung ist die Perspektivübernahme. Die oft zu findende Anbietersicht, die betriebsinterne Bezeichnungen und Prozesse in den Vordergrund stellt, ist für externe Nutzer unergonomisch. Mit Perspektivübernahme ist die Überlegung gemeint, was ein/e Endanwender/in angesichts der Situation denken könnte und wie die Person agieren würde? Es handelt sich somit um die Fähigkeit, sich in die Situation der Benutzer/innen zu versetzen, ihre Probleme zu verstehen und ihre Sprache sprechen zu können.

Rund um das Sehen

Aus den zahlreichen Erkenntnissen der Forschung soll hier eine kleine Auswahl der für das Internet wichtigsten Ergebnisse geboten werden.

Rechts-Links-Achse

Im Denken der meisten westlichen Menschen existiert eine Rechts-Links-Achse, auf der zeitlich spätere Verläufe rechts anzuordnen sind und positive Zukunftsperspektiven sogar rechts oben erwartet werden.

Augen / Blick

Abbildungen von Personen sind auf Internet-Seiten sehr beliebt. Häufig wird jedoch die Blickrichtung nicht beachtet. So sollten Augen den Betrachter nicht direkt fixieren. Ferner sollten Personen auf Bildern nicht von oben herab oder mitleidig auf den Betrachter schauen. Schließlich sollte ein direktes Anstarren mit parallel stehenden Augen (Drohstarren) vermieden werden.

Elemente auf der rechten Seite

Der Scroll-Balken ist das wichtigste Bedienungselement für das Sichbewegen auf einer Internet-Seite. Folglich muss sich die Aufmerksamkeit der Nutzer auf die rechte Bildschirmhälfte richten. Werbebanner, Logos oder eine Navigation auf der rechten Seite fallen deshalb besonders auf.

Dies hat sich in den letzten Jahren etwas verändert, seit es Mäuse mit Scroll-Rad respektive beim Apple 'kratzbare' Oberflächen gibt. Ferner benutzen immer mehr Anwendern die Pfeil-Tasten oder die Bild-Herunter-Taste, um nicht mehr mühsam am rechten Rand den vertikalen Scroll-Balken suchen und verschieben zu müssen.

Wortlänge

Das Auge kann auf einen Blick bis zu 16 Buchstaben aufnehmen. Längere Worte erschweren somit das Lesen und verringern die Lesegeschwindigkeit.

Peripheres Sehen

Das periphere Sehen ist keine aktive Handlung, sondern ein Reflex, gegen den sich der Mensch nicht wehren kann. Bei einer Abwehr dieser die Aufmerksamkeit erregenden Elemente werden wertvolle Aufmerksamkeitsressourcen verbraucht, die dann für die Aufnahme anderer Inhalte fehlen.

In den meisten Fällen empfiehlt sich deshalb ein vorsichtiger Umgang mit Eye-Catchern, wie Bannern, Laufschriften, blinkenden Elementen und Tickern. Wo ein Verzicht nicht möglich ist, sollte man sich bei ihrem Einsatz beschränken.

Eine Schadensbegrenzung bei derartigen blinkenden Elemente kann erzielt werden, indem man nur regelmäßiges Blinken verwendet, eine glatte, saubere Bewegung und regelmäßige Animation einsetzt, nur eine Animation je Seite einsetzt, bei mehreren Elementen ein synchrones Blinken verwendet sowie Animationen verwendet, die ein Ende haben - die also nicht ständig in einer Schleife weiterlaufen.

Gestaltung der Kommunikation

Kommunikation im Internet

Der Sender (Firma), die Botschaft (Inhalte), der oder die Empfänger (Sie), das Medium (PC mit allem Drum und Dran) und der Übertragungskanal (Kabel- oder Funknetz) sind im Internet relativ klar erkennbar. Schwieriger wird es mit den zwei weiteren Elementen Inhaltsaspekt und Beziehungsaspekt, die einen großen Einfluss auf die Kommunikation nehmen.

Der Inhaltsaspekt umfasst die Information, die nicht nur aus Text besteht, sondern auch aus allen weiteren Elementen und vor allem deren Anordnung und Gestaltung.

Am tückischsten ist der Beziehungsaspekt. Hier besteht eine Kontext- und Adressatenabhängigkeit. Wichtige Elemente für die Interpretation der Beziehungsebene wie Mimik, Gestik und Betonung fehlen bei textzentrierter Kommunikation im Internet. Vieles ist ungewollt, steht nur 'zwischen' den Zeilen und wirkt unbewusst. Missverständnisse sind deshalb leicht möglich.

Web-Elemente, die den Beziehungsaspekt zwischen Sender und Empfänger beeinflussen sind vor allem die Wortwahl, wobei eine Asymmetrie im Wissen bei nicht erklärten Fachausdrücken vorliegt, der Sprachstil (Muss es z.B. Kant, Hegel oder Thomas-Mann in Reinkultur sein?), die Farben mit ihren diversen Bedeutungen), die Typographie, die Grafiken, die Anordnung der Informationen, die Hervorhebung von Informationen und die visuelle Ausgestaltung.

Hinweis

Erfolgreiche Kommunikation im Internet nutzt eine lebendige, persönliche, abwechslungsreiche Sprache.

Weiterführende Informationen

Wikipedia-Artikel zur Gestaltpsychologie und Wikipedia-Artikel zur Gestalttheorie.

Das nächste Kapitel in den theoretischen Grundlagen beschäftigt sich mit der Aufmerksamkeit.

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Internet und Multimedia in Perfektion